KABARETTHERBST 100 Prozent Power, 120 Prozent Ideen: Lisa Fitz teilt im Kurtheater in alle Richtungen aus.
Bad Kissingen — „Wundert euch nicht,wenn ich einen roten Kopf bekomme. Dann glühen meine Synapsen im Hirn.“ Lisa Fitz ist gleich mittendrin: 100 Prozent Power, 120 Prozent Ideen. Sie überfährt ganz einfach ihr Publikum im knallvollen Kurtheater. Und am Ende ist sie es, die kühlen Kopf bewahrt hat. Dafür glüht es in den Oberstübchen vor ihr ganz erheblich. „Flüsterwitze“ heißt das Programm, mit dem sie gekommen ist, und es hält zum Glück nicht, was es verspricht. Es wird kein Abend nach dem Motto: „Kennen Sie den schon?“ Lisa Fitz erzählt keinen einzigen. Sie nimmt das Motto als Aufhänger zu einem schwierigen Gang in die Meinungsfreiheit: „Was können wir, was dürfen wir heute (nicht mehr) sagen?“ Lisa Fitz macht deutlich, dass Meinung und Meinungsäußerung heutzutage immer mehr mit Mut zu tun hat, dass der Stern der Diskussionskultur im Sinken begriffen ist zugunsten einer „betreuten Meinungsbildung“. Lisa Fitz ist eine außerordentlich politische Kabarettistin, die sich allerdings nicht in einer Richtung verorten lässt. Sie muss den Namen der AfD gar nicht in den Mund nehmen, um ihre kritische Sichtweise an Personen festzumachen, sondern sie gräbt tiefer, teilt in alle Richtungen aus, wobei ihre Kritik an „Mutti“ Merkel noch geradezu freundlich ist, wenn sie von deren „postheroischem Regieren“ spricht, von dem Problem, „nicht zu merken, wann die Zeit rum ist“, von dem „Ruheregiment mit Empörungsverweigerung“. Einen besonderen Narren scheint sie an Heiko Maas und Ursula von der Leyen gefressen zu haben.
Es sind auch die Medien, die der Diskussionskultur immer mehr den Garaus machen, ausgerechnet in den immer dümmlicheren Talkshows und anderen Unterhaltungssendungen. Obwohl sie dabei ja zugibt, dass sie sie auch mitunter anschaut. Allerdings kann sie sich da auf professionelles Interesse berufen.Und sie zitiert Dieter Hildebrandt („Ich vermisse ihn so sehr“) mit seiner bekannten Äußerung: „Die Öffentlich-Rechtlichen haben die Hosen voll, und die Privaten senden, was drin ist.“ Aber am schlimmsten ist jeder Einzelne in seiner Manipulierbarkeit, in seiner eingeimpften Ängstlichkeit vor jedem und allem: „Der größte Feind der Demokratie ist die Unwissenheit.“ Schlimm seien Sätze wie „Davon weiß ich nichts“ oder „Dazu habe ich keine Meinung“. Schlimm sei die wachsende Unfähigkeit, Fake News und Realität zu unterscheiden und einzuordnen. Schlimm sei das „Tittytainment“, ein Begriff , den vor 30 Jahren Zbigniew Brzezinski, Politologe, Sicherheitsberater und tarngraue Eminenz von fünf USPräsidenten, geprägt hat. Und schlimm seien die derzeit zu beobachtende, angstgetriebene Migrationsdebatte und die Rückwärtsentwicklung in der Frauenemanzipation.
Selbst ihrem Publikum kann Lisa Fitz beweisen, wie leicht es sich von populistischen Äußerungen vereinnahmen lässt. „Die Menschen haben so viel Wissen angehäuft, mit dem sie eine bessere Welt machen könnten. Aber niemand tut es – die einen, weil sie von den bestehenden Verhältnissen profitieren, die anderen, weil es ihren Horizont überschreitet.“ „Das Hirn will lernen. Es ist keine Seife, die weniger wird, wenn man sie benutzt.“ Lisa Fitz kann aber auch ganz schön entwaffnend sein: „Wenn ich den Fidel Castro geheiratet hätte, dann hätte er meinen Familiennamen annehmen müssen: Fidel Fitz – da wäre die kubanische Revolution schnell zu Ende gewesen.“ In Deutschland scheitere eine Revolution ja schon daran, dass das Betreten des Rasens verboten ist. Es ist ein ständiger argumentatorischer Hochseilakt, den Lisa Fitz da vollführt. Deshalb hat sie auch immer mal wieder Sätze, die da herausfallen – natürlich nach unten: „Dein Abendessen steht im Kochbuch, Schatzi!“ oder „Der Bayer ist halb Mensch, halb Bier.“ Das sind kleine Ankerpunkte der Bodenhaftung, die auch das Publikum braucht, um auch mal wieder ohne Erschrecken lachen zu können. Denn die Beispiele und Pointen sind ja alle nicht erfunden. Und man begreift ihren Seufzer: „Man möchte sich mal wieder auf die Zukunft freuen können.“ Zum Schluss, zum Runterkühlen, kommt dann auch noch die Schauspielerin zu Wort mit „einem saublöden Lied von meinem Vater“, dem „Kamel“ und ihrer Haute Couture aus der Grimassenschneiderei: Wenn das Höckertier in der Sahara das spärliche, etwas schlüpfrige Geschehen um sich herum mit phlegmatischer Blödheit betrachtet, dann ist Lisa Fitz verschwunden – dann schaut man dem Tier mitten ins Gesicht. Und dann heißt’s unumstößlich: „So, das schöne Lied ist jetzt aus.Und das Kamel geht nach Haus.“ Erst sieht man noch das ganze Kamel – von hinten, dann ein halbes Kamel – von hinten, dann ein viertel Kamel – von hinten, dann kein Kamel mehr – von hinten – aus! Die Synapsen haben wieder Körpertemperatur. Man verlässt das Theater amüsiert, spürt aber auch einen deutlichen Zuwachs an Hilflosigkeit. Die Beschreibung der Welt ist nur der erste Schritt zu ihrer Veränderung.
Quelle: infranken.de, Bad Kissingen, Artikel von Thomas Ahnert, Foto: Gerhild Ahnert