Münchner Merkur, Februar 2024
Lisa Fitz über ihr Kabarett, den „Scheibenwischer“ und die Kollegen.
Als Lisa Fitz 1983 mit „Die heilige Hur“ debütierte, waren Kabarettistinnen, die solo und mit eigenen Texten auftraten, eine absolute Rarität. Mehr als vier Jahrzehnte ist das her, und noch immer hat die inzwischen 72-Jährige Lust auf Bühne. An diesem Dienstag und Mittwoch um 20 Uhr ist die vielfach ausgezeichnete Künstlerin im Münchner Schlachthof nochmals mit „Dauerbrenner – Das Jubiläumsprogramm“ zu sehen, aber der nächste Streich, „Avanti Dilettanti!“, ist schon in Arbeit.
Ist „Dauerbrenner“ in erster Linie ein „Best-of“ oder ein Programm mit aktuellen Nummern?
Lisa Fitz: Nein, es ist kein Best-of, das habe ich verworfen, weil’s mir zu fad gewesen wäre. Es ist alles neu, bis auf zwei, drei Songs. Das Jubiläumsprogramm ist eine – auch gesellschaftspolitische – Rückschau auf die Sechziger, die Achtundsechziger und die Siebziger, Beatles, Stones und die CSU mit Franz Josef Strauß. Im zweiten Teil geht’s darum, was man in den Lockdowns lernen konnte – oder auch nicht – mit der Frage, was die Zukunft bringt, Roboterisierung inklusive Sexpuppen, KI und Dystopie statt Utopie. Die älteste Nummer im Programm ist „I bin bläd“ von 1972 und die neueste „Deutschland quo vadis“, ein Rückblick und eine Vorausschau, wie sich unser Land wohl entwickeln wird.
Ihr nächstes Programm trägt den Titel „Avanti Dilettanti!“, Sie zitieren dazu Gustl Bayrhammer als Meister Eder mit dem Satz „Es muaß a Bleede gebn, aber es wern oiwei mehra!“ Worauf führen Sie diese „Blödenvermehrung“ zurück? Und wie wollen Sie ihnen begegnen, sie womöglich „heilen“?
Lisa Fitz: O Gott nein, ich hab’ keinen Messiaskomplex, so größenwahnsinnig bin ich nicht. Aber es werden halt – auch aufgrund wirtschaftlicher Sparmaßnahmen – vermehrt Billigkräfte eingesetzt, in Hotlines, in Callcentern, an Hotelrezeptionen, bei Paketdiensten, Energiekonzernen, im Verkauf, die echt deppert sind. Die Bildungswut ist ja auch nicht gerade gewachsen in den letzten Jahren. Ich könnte endlos erzählen, wie beispielsweise Telefonate verlaufen und wer da „Auskunft“ gibt. Da langt man sich ans Hirn. Und die eigene Deppertheit kommt ja oft auch erschwerend hinzu. Da hilft nur bayerischer Stoizismus. Und viel Menschenliebe.
Dieser „Sind-denn-alle-verrückt-geworden?“- Befund erinnert sehr an Monika Gruber, deren erstes Buch „Und erlöse uns von den Blöden“ hieß…
Lisa Fitz: Das ist schon ein geiler Titel, oder?
Fühlen Sie sich als „Schwestern im Geiste“? Tauschen Sie sich aus?
Lisa Fitz: Ich darf sagen, dass ich Monika Gruber entdeckt und mit Zuspruch ermutigt habe. Das war bei einem Kabarettworkshop, den ich an meiner ehemaligen Schauspielschule Zerboni gegeben habe. Sie war mit Abstand die Beste, und ihr Talent war deutlich zu erkennen. Monika ist direkter als ich, noch bayerischer und haut oft direkt auf die Zwölf, aber immer unterhaltsam. Vergessen Sie bitte nicht, dass eine Kabarettistin nie einfordert, ihrer Meinung zu sein. Man kann sich an den Aussagen reiben, wird inspiriert zu reflektieren und kann Sichtweisen auch gern ablehnen. Was wir gemeinsam haben, ist wohl Rückgrat und Aufrichtigkeit – ohne den Anspruch, nur auf Zustimmung zu stoßen. Monikas Background ist ein anderer, erdiger, bodenständiger. Ich komme aus einer Künstlerfamilie, wo Dichtung und Literatur viel Raum eingenommen haben – von klein auf. Ab und zu telefonieren wir und tauschen uns aus.
Monika Gruber hat uns vor ein paar Monaten in einem Interview gesagt, sie spüre „eine tiefe persönliche Abneigung von Kollegen, mit denen man mal befreundet war“. Geht es Ihnen genauso? Wenn ja, woher kommt das Ihrer Meinung nach?
Lisa Fitz: Leider ist es auch bei mir vorgekommen, dass ich von einem Kollegen in den Medien angegriffen wurde. In der Ära von Dieter Hildebrandt wäre so etwas undenkbar unfair gewesen. Mich juckt’s ehrlich gesagt nicht so. Oft werden ja bei missgünstigen Kollegen die Besucher so wenig wie die Haare auf ihrem Kopf. Das erledigt sich dann von selbst. Meine Lieblingsmetapher: „Wenn du lange genug am Ufer des Flusses sitzt, siehst du irgendwann die Leiche deines Feindes vorüberschwimmen.“
Sie waren – lang ist’s her – im „Scheibenwischer“-Team in der heute legendären Sendung über Tschernobyl, aus der sich der BR ausgeblendet hat. Wie sehen Sie heute auf die Sendung, die Nummer vom „verstrahlten Großvater“ und die Reaktion des Senders?
Lisa Fitz: Das war damals ein Rieseneklat, und alle haben zu Hildebrandt und zum „Scheibenwischer“ gehalten. An dieser Solidarität könnten sich heute eine Menge Leute ein Beispiel nehmen! Die Folge wurde in jedem Wirtshaus und in jedem großen und kleinen Theater gezeigt und hatte letztendlich mehr Zuschauer, als sie beim Bayerischen Rundfunk gehabt hätte. Meine Meinung: Die Zuschauer können sich selbst eine Meinung bilden und den On-/off-Knopf betätigen. Ohne Gouvernante BR.
Wenn es den „Scheibenwischer“ und das Kabarett Dieter Hildebrandts heute noch gäbe – eigentlich undenkbar, dass Sie noch dabei wären, oder?
Lisa Fitz: Ich wäre sicher noch dabei. Dieter Hildebrandt hat mich geliebt – und ich ihn. Er sagte immer: „Ihr Bayern bringt das so genial auf den Punkt.“ Er schätzte meine Geradlinigkeit. Und er hatte das Hirn, die Aussagen einzuordnen. Die geniale „Scheibenwischer“-Folge nach dem 11. September 2001 wäre heute wohl so nicht mehr möglich.
Unter anderen Bruno Jonas hat das Kabarett Hildebrandts rückblickend als „sozialdemokratisches Kabarett“ bezeichnet.
Lisa Fitz: Klar, Dieter Hildebrandt war Sozialdemokrat, aber immer hat die SPD auch ihr Fett abbekommen, wie es sich für Kabarett gehört. Und er durfte sogar den Programmdirektor auf den Arm nehmen. Stellen Sie sich das in unserem heutigen Erziehungsstaat vor! Ich sehne mich oft nach der alten SPD, entscholzt und Esken-frei.
Was meinen Sie mit „Erziehungsstaat“?
Lisa Fitz: Nun ja, das muss man doch eigentlich nicht mehr erklären. Meine ehemals so geliebten Grünen übertreiben im Gespann mit der – ehemals ebenfalls geliebten – SPD alles. Woke Aufdringlichkeit, Gendern, Sprachverbote, sonstige Auflagen. Sie insistieren nervend penetrant, anstatt die Menschen mit Vernunft zu dem von ihnen gewünschten Verhalten zu verführen. Man ändert sich ja unter Umständen gern, aber wir sind nicht im Internat.
In einem Interview haben Sie Kabarettistenkollegen als „systemimmanente Hofnarren“ bezeichnet –wen meinen Sie konkret?
Lisa Fitz: Das Problem ist, dass dieses Zitat etwa fünf bis sechs Jahre zurückliegt, genau kann ich’s nicht mehr sagen. Aber „Systemimmanente Hofnarren“ meint Regierungskabarettisten mit Hasenpfötchenkabarett. Kabarett ist nicht dazu da, der amtierenden Regierung oder dem Medienmainstream oder Geldgebern und Sponsoren nach dem Mund zu reden. In Österreich gibt es eine Liste der Kabarettisten, die in der Corona-Zeit ziemlich viel Geld von der Regierung bekommen haben, über Umwege. In Deutschland kann man das auch recherchieren, aber ich halte mich da lieber raus. Kabarett tritt nach oben, nicht zur Seite oder nach unten. „Fragwürdig“ heißt es neuerdings oft. Kabarett muss aber fragen, weil alles würdig ist, hinterfragt zu werden.
Sie vermuten, dass Kabarettisten in Deutschland Geld von der Regierung dafür bekommen oder bekommen haben, dass sie bestimmte regierungskonforme Nummern spielen? An wen denken Sie da?
Lisa Fitz: Sie werden doch wohl nicht wollen, dass ich mich als Denunziantin betätige? Sagen wir so: Öffentlich-rechtliche Sender, denen der Rundfunkrat mit parteinahen Mitgliedern vorsteht, scheinen mir doch regierungskonforme oder in der Aussage eher harmlose Kabarettistinnen und Kabarettisten zu bevorzugen, und fördern sie entsprechend, zum Teil sehr großzügig. Ausnahme ist vielleicht – noch – Dieter Nuhr. Das galt in der Corona-Zeit besonders für systemkonforme Entertainer, die die Meinungsvorgaben der Regierung nicht infrage gestellt, sondern sie bestärkt haben.
Wenn Sie auf Ihre lange Karriere zurückblicken – gibt es Dinge, die Sie bedauern und am liebsten ungeschehen machen würden?
Lisa Fitz: Klar, in einem 50-jährigen kabarettistischen Berufsleben können Entscheidungen zuweilen beruflich kontraproduktiv sein, oft hört man nicht ausreichend auf die innere Stimme. Aber sie waren persönlichkeitsbildend. Was ist besser: Wenn man ständig im Warmen sitzen bleibt und verweichlicht oder wenn man in Kälte und Regen rausrennt und sich abhärtet? Für die Lebenserfahrung sicher Letzteres.