Mit freundlichem Dank an die Wertinger Zeitung, Oktober 2025
Man hatte seit dem Tod von Dieter Hildebrandt ja fast schon vergessen, was Kabarett kann – eine spezifisch deutsche Kunstform, die nichts zu tun hat mit dem französisch-frivolen Cabaret, und mit dem als Comedy gelabelten TV-Schrott schon dreimal nicht. Kabarett ist immer politisch und scharf, das Lachen, das es hervorruft, mit Erkenntnis verbunden, und dem Kulturring Dillingen gebührt großer Dank, dass er dieses Live-Erlebnis eines echten Kabarett-Hochkaräters hier ermöglicht hat.
Das Programm Avanti Dilettanti hatte Lisa Fitz schon Anfang 2024 auf die damals regierende „Ampel“ zugeschnitten, sozusagen als Serie unter dem Titel „Deutschland zerlegt sich selbst“. Jetzt präsentiert sie „die neueste Staffel mit Friedrich Merz“. – Was ist eigentlich ein Dilettant, fragt Frau Fitz ins Publikum. Eine gute Antwort: Der, wo mehr falsch macht als gut. Oder schlicht: ein Depp.
Bevor sie zum Rundumschlag gegen die aktuelle Politik ansetzt, zitiert Lisa Fitz die US-amerikanische Anarchistin und Friedensaktivistin Emma Goldman: „Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Unwissenheit.“ Pointiert von Lisa Fitz: „Wer nix weiß, glaubt jeden Scheiß.“ Gnadenlos kritisiert sie die Informationsindustrie – „vorgekaute Happen mundgerecht serviert“, oder, nach Henryk M. Broder: „80 Prozent Propaganda, 20 Prozent Schrott“ – und erklärt sich selbst als „bekennende Verschwörungstheoretikerin“. Interessierte wissen das spätestens seit ihren Audios „Ich sehe was, was du nicht siehst“ und „Tanz der Vampire“. Angesichts ihrer Gratwanderung zwischen Ernst und Blödsinn weiß man als Zuschauer oft nicht, zu welcher Kategorie die angesprochenen Themen gehören, etwa Jens Spahn als Reptiloide oder die böse Fledermaus aus Wuhan.
Köstlich, wie ihre Verzweiflung über die Ausstrahlung von PolitikerInnen – von der Leyen („Wenn sie einen Raum betritt, gefriert das Leitungswasser“), Kramp-Karrenbauer, Lambrecht, Esken, Baerbock und „Flak“-Zimmermann – in den Stoßseufzer mündet: „Hätte ich mich doch nie für die Emanzipation eingesetzt!“.
Weitere kabarettistische Glanzpunkte sind der Drehtüreffekt zwischen Wirtschaft und Politik, Baerbock-Diplomatie, Klimakleber, Omas gegen Rechts, bunte Vielfalt, die Mainstream-Medien, Nordstream, die horrenden Summen, die die Politikelite für Kosmetik und Hoffotografen ausgibt und extra ausführlich der Paragraph 188, Politikerbeleidigungen betreffend – wobei sie selbst sich oft überlege, was am wenigsten Strafe koste.
Kurz vor der Pause dann noch der ultimative Tabubruch. Sie spricht sie aus, die drei Buchstaben A, F und D – und hat ein klares Statement: Wer seine Meinung sagt, gefährdet nie die Demokratie – das tun die, die das verbieten.
Das Publikum im nahezu vollbesetzten Stadtsaal geht begeistert mit und applaudiert besonders bei den schrägen Kalauern, zum Beispiel, dass Angela Merkel früher ein Mann war und der Toyboy von Honecker, Anton Hofreiter aussieht wie Jesus Christus in der Mauser oder der gänzlich charismafreie derzeitige Bundeskanzler als Ritter von der traurigen Gestalt.
Selbstverständlich zeigt sich Lisa Fitz auch 2025 als elegante Bühnenerscheinung, kreative Singer-Songwriterin, die Gitarre ist immer dabei, und auch ihre hochkomische Kunst der Mimik (etwa als Kamel) konnte man in Dillingen genießen. Selbstverständlich ist Lisa Fitz umstritten, aber: „Ein Shitstorm ist für mich eine Challenge!“ Zum Abschluss eines inspirierenden Abends gibt sie dem Publikum ihr Lebensmotto mit auf den Heimweg: Nur die Mutigen entkommen.
Artikel und Foto von Sabine Maria Egger